Wann man Ziele, Ziele sein lassen sollte
- 21. Oktober 2018
Wir werden in unserem Leben mit zahlreichen Zielen konfrontiert. Seien es selbstgesetzte oder von außen gestellte Ziele. Die meiste Zeit unseres Lebens arbeiten wir auf irgendwelche Ziele hin. Berufliche Ziele, persönliche Ziele, sportliche Ziele,… Sie stellen das dar, was wir erreichen möchten und mit ihnen im Blick fällt es oft leichter sich zu motivieren und fokussiert auf etwas hin zu arbeiten.
Aber was, wenn es so scheint als ob man an seinen Zielen scheitert? Nicht an den von außen gestellten Zielen, sondern an den selbstgesetzten. Meist sind diese deutlich ambitionierter, als wenn sie uns jemand anderes stellen würde. Wie soll man damit umgehen und wann ist der richtige Zeitpunkt, einzusehen, dass ein zusätzlicher Tritt in den Hintern oder ein bisschen mehr Durchhaltevermögen nicht ausreichen, um das zu erreichen was man sich vorgenommen hat?
MEIN GROSSES JAHRESZIEL – AUFGEBEN ODER DARAN FESTHALTEN?
Vor genau so einer Entscheidung stand ich in den letzten Wochen. Es ging um das mir selbstgesetzte Ziel in diesem Herbst meinen zweiten Marathon zu laufen. Im Grunde genommen gar nicht so ambitioniert. Immerhin hatte ich dieses Ziel im letzten Jahr schon einmal erreicht. Und mit etwas gezielterem Training sowie etwas mehr Fürsorge für mein im letzten Jahr in Mitleidenschaft gezogenes Knie sollte auch eine bessere Zielzeit drin sein. Soweit die Theorie!
In der Praxis gestaltete sich dieses Vorhaben leider etwas anders. Die erste Jahreshälfte lief trainingstechnisch sehr gut. Ich trainierte auf eine neue Halbmarathon-Bestzeit im Juni hin und das Training fruchtete auch, so dass die neue Zielzeit zum Greifen nah erschien. Bis mich in der Halbmarathonwoche Halsschmerzen und Erkältungsbeschwerden heimsuchten und mein Traum von der neuen Bestzeit unsanft zerplatzen ließ. Nach dem Halbmarathon, den ich trotzdem aus dem “Dabeisein ist alles”-Gedanken lief, schaute ich trotz Enttäuschung über die verpasste Zielzeit schnell optimistisch in die Zukunft. Ein weiterer Halbmarathon sollte her und zwar deutlich früher als der bereits geplante Köln Halbmarathon im Oktober. Ich wollte schnellstmöglich mein erfolgreiches Training in eine neue Bestzeit verwandeln und mich danach um meine Herbstziele kümmern.
Aber es kommt nun mal meistens alles anders. In den kommenden Monaten lief mein Training einfach nicht mehr so am Schnürchen wie in der ersten Jahreshälfte. Zum einen machte mir (und sicherlich vielen anderen Läufern) der heiße Sommer das Leben bzw. Training schwer und zum anderen machten mir meine Beine immer und immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Laufen war für mich nicht mehr das, was es mal war.

Jeder Lauf fühlte sich schwerfällig an, die Beine kamen nicht in Schwung und schmerzten zudem sowohl beim Laufen als auch im Alltag. Eine Diagnose konnte zwar Klarheit bringen, was mit mir los war. Aber leider auch keine kurzfristige Maßnahme zur Besserung der Beschwerden mit sich bringen.
Dennoch hielt ich weiter an meinem Ziel, dem Marathon fest. Ich wollte nichts mehr, als auch in diesem Jahr wieder dabei zu sein. Mit tausenden anderen Läufern durch die Straßen von Frankfurt laufen, die tolle Atmosphäre aufsaugen und letztlich den Zieleinlauf über den roten Teppich in der Festhalle erleben. Daher versuchte ich mein Training weiter durchzuziehen, kämpfte mit jedem einzelnen Trainingskilometer und versuchte mich trotz rebellierender Beine an den für die Marathonvorbereitung so wichtigen Longruns.

Trotz aller Bemühungen entfernte ich mich immer weiter von meinem Ziel Marathon. Die Läufe fielen mir zunehmend schwerer und mit jeder Woche die verging lasteten die Zweifel, ob ich die 42 Kilometer überhaupt schaffen würde, schwerer auf mir.
Als ich dann kurz vor dem Halbmarathon in Köln, welchen ich in Vorbereitung auf die doppelte Distanz geplant hatte, sogar schon Zweifel hatte, ob ich diesen überhaupt einigermaßen zufriedenstellend bewältigen könnte, fiel endlich die Entscheidung. Ich hatte schon so viele Stunden darüber gegrübelt, aber mir immer wieder erneut gut zugeredet und hoffnungsvoll der – wenn auch langsam schwindenden – verbleibenden Trainingszeit bis zum großen Tag entgegen geblickt.
Den Halbmarathon lief ich trotz meiner Zweifel und bin mehr als glücklich über meine Entscheidung an den Start zu gehen. Den Marathon hingegen hakte ich an dieser Stelle für mich in diesem Jahr ab, verkaufte meine Startnummer und konnte – wenn auch mit einem weinenden Auge über den verpassten Marathonstart – nach dem Halbmarathon-Finish erleichtert in die Off-Season starten.
WANN SOLLTE MAN SEINE ZIELE ZIEHEN LASSEN?
Es ist immer schwierig den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann es an der Zeit ist nicht weiter an seinen Zielen festzuhalten. Gerade an selbstgesteckten Zielen hängt meist sehr viel Herzblut. So, dass es oft schmerzhaft ist diese Ziele ziehen zu lassen.
Nehmen wir das Beispiel Marathon. Wenn man sich ernsthaft vornimmt diese Distanz zu bewältigen und über die Ziellinie eines Marathons zu laufen, hängt daran meist ein großes Gedankenkarussell, welches bereits viele Male seine Runden gedreht hat bevor man diese Entscheidung fest für sich trifft. Wenn man dann aber alle Zweifel über Bord geworfen hat und sich bewusst für den Marathon entschieden hat, dann ist man auch mit Herzblut dabei. Man nimmt die trainingsintensive Vorbereitungszeit auf sich und kämpft sich Schritt für Schritt weiter Richtung Ziel.
Es gibt aber einige Anzeichen, wann man seine Ziele – zumindest vorerst – ziehen lassen sollte. Insbesondere wenn es um selbstgesetzte, sportliche Ziele geht, die – aus der Natur der Sache – zwar mit einer gewissen Anstrengung verbunden sind, letztlich aber Spaß machen und insgesamt dem Körper gut tun sollten.
Es gibt aber einige Anzeichen, wann man seine Ziele – zumindest vorerst – ziehen lassen sollte. Insbesondere wenn es um selbstgesetzte, sportliche Ziele geht, die – aus der Natur der Sache – zwar mit einer gewissen Anstrengung verbunden sind, letztlich aber Spaß machen und insgesamt dem Körper gut tun sollten.
1. Das Ziel und der Weg dorthin setzt einen zu sehr unter Stress und macht einen unglücklich
Wenn man auf dem Weg zum Ziel das Gefühl hat, alles was man zu tun hat, um sein Ziel zu erreichen, stresst einen zu sehr, sollte man sich fragen weshalb man sich so unter Stress setzen lässt. Passt das Ziel bzw. die notwendigen Maßnahmen zur Zielerreichung möglicherweise aktuell nicht zusammen mit den restlichen Herausforderungen des Alltags. So, dass man sich durch das zusätzliche Ziel nur überfordert. Oder aber ist das gesetzte Ziel an sich zu herausfordernd und man stresst sich so sehr mit dem Wunsch das Ziel dennoch zu erreichen, um sich selbst nicht zu enttäuschen. All das sollte man hinterfragen, wenn einen der Gedanke an sein Ziel nicht mehr vorfreudig, wenn auch mit der nötigen Portion Respekt, stimmen lässt, sondern unglücklich macht.

2. Man weiß, dass das Ziel unrealistisch ist
Es gibt Ziele, bei denen man insgeheim weiß, dass sie unrealistisch sind. Trotzdem möchte man es sich selbst (oder anderen) beweisen und hält daran fest. An dieser Stelle sei gesagt sein, Ziele sollten herausfordernd sein, aber einen nicht überfordern. Daher ist es in diesem Fall eher ein Zeichen von Größe, sich dies einzugestehen als ein Aufgeben von sehr anspruchsvollen Zielen.
Man muss sein Ziel ja nicht komplett aus den Augen verlieren, sondern kann sich Zwischenziele suchen welche einem helfen langfristig sein Hauptziel zu erreichen.

3. Es ist nicht mit der Gesundheit und Wohlbefinden zu vereinbaren
Gerade in der Vorbereitung auf sportliche Ziele kommen häufiger mal körperliche Wehwehchen dazwischen. Sei es eine ernsthafte Verletzung, Überlastungserscheinungen oder eine eingefangene Erkältung. Darunter leidet eine vernünftige Vorbereitung und gerade bei sportlichen Zielen muss man sich gewissenhaft überlegen, ob der dadurch erlangte Trainingsrückstand auf vernünftige Art und Weise aufgeholt werden kann und ob man tatsächlich am Tag des Wettkampfs fit ist, so dass eine Teilnahme gesundheitlich unbedenklich ist.
4. Es ist nicht zwingend notwendig
Es gibt genügend Ziele im Leben, denen man sich nicht entziehen kann. Bei denen man nicht einfach feststellen kann, dass diese Ziele einen unglücklich machen oder unter Stress setzen und somit davon ablassen.
Daher sollte man gerade bei persönlichen Zielen, zu denen auch die sportlichen Ziele zählen, nicht ganz so streng mit sich sein. Wenn das Ziel hauptsächlich dem eigenen Vergnügen gilt oder man sich selbst etwas beweisen möchte, dann sollte man definitiv davon ablassen, wenn einer der oben genannten Punkte zutrifft.
WIE GEHT ES WEITER MIT MEINEM ZIEL?
Ich für meinen Teil habe nun also entschieden, dass mich mein Ziel Herbstmarathon nur noch stresst und nicht glücklich machen kann. Darüber hinaus ist ein Marathon eine große Herausforderung für den menschlichen Körper, auch wenn man sich optimal vorbereitet hat. Daher kann man sich vermutlich ausmalen, was der Körper bei einer weniger guten Vorbereitung und nicht optimalen körperlichen Voraussetzungen durchmachen muss.
Ich kümmere mich erst einmal um das Problem, was mir einen Strich durch den diesjährigen Marathon gemacht hat, meine Beine. Und danach werde ich wieder angreifen, denn es gibt noch viele Marathons und zumindest einen davon werde ich in Zukunft definitiv noch laufen.
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