Köln Halbmarathon 2018 – Zielzeiten? Es gibt doch so viel mehr!

Am 07. Oktober 2018 hieß es in der Domstadt wieder „Läufer los!“. Insgesamt 15.000 Läufer gingen auf der ausverkauften, halben Marathondistanz an den Start. Ich durfte einer davon sein und in meiner neuen Heimat auf die Strecke gehen.

MEINE VORBEREITUNG

Der ursprüngliche Plan war es, den Halbmarathon als Testwettkampf im Rahmen der Vorbereitung für den Frankfurt Marathon zu laufen. Im letzten Jahr war ich mit diesem Programm sehr gut gefahren, daher sollte auch in diesem Jahr diese Konstellation mein Fahrschein in mein persönliches Marathonglück sein.

Leider aber lief in diesem Jahr gar nichts so wie es sollte. Seit dem Sommer läuft es nicht mehr rund. Die Beine wollen nicht mitspielen, sind schwer und machen mir die meisten Laufkilometer zur Qual. Mit Glück kann ich sagen, dass ich mittlerweile zumindest weiß, warum mir mein Läuferleben so schwer gemacht wird. Kurzfristig etwas dagegen machen, kann ich allerdings nicht. Daher versuchte ich dennoch mich nicht unterkriegen zu lassen und meinen Trainingsplan sowie meine Herbstpläne weiter zu verfolgen. Dies funktionierte allerdings nur bedingt. Sonst so lockere 10 km-Läufe waren deutlich anstrengender als sonst und alles über 10 km war ein einziges Desaster. Ich versuchte mich an einigen Long Runs, um mich doch irgendwie auf meinen Jahreshöhepunkt, den Frankfurt Marathon, vorzubereiten. Aber die drei 25 km-Läufe liefen alles, nur nicht rund, so dass ich mich schließlich schweren Herzens dazu durchringen musste, Marathon in diesem Jahr einfach Marathon sein zu lassen und meinen Startplatz abzugeben.

Aber wie ich mit dem geplanten Halbmarathon in Köln verfahren sollte, war mir lange Zeit noch nicht klar. Die Distanz sollte irgendwie zu schaffen sein, auch wenn ich das Rennen in einer extrem langsamen Pace angehen und vermutlich dennoch Gehpausen einlegen müsste. Nachdem mein letzter Halbmarathon im Juni bereits aufgrund einer Erkältung nicht so lief wie ich wollte, hatte ich mir eigentlich für Köln vorgenommen meine anvisierte neue Bestzeit aus dem Juni erneut in Angriff zu nehmen. Das konnte ich nun allerdings vollkommen vergessen.
Was also tun? Meine eigentlichen Ziele würde ich nicht erreichen können und somit nie 100%ig zufrieden aus dem Rennen gehen können. Aber den Wettkampf sausen zu lassen und zu Hause zu sitzen während um mich herum tausende Läufer die Straßen unsicher machen? Undenkbar!

So haderte ich lange bis zum Tag vor dem Halbmarathon mit mir, obwohl ich es insgeheim die ganze Zeit wusste. Ich werde an den Start gehen. Immerhin hatte ich nichts zu verlieren. Im Zweifel würde ich das Rennen vorzeitig beenden oder eben einen langen Spaziergang daraus machen. Aber dabei sein ist nun mal alles!

DER TAG DAVOR

Nachdem ich die Startunterlagen schon am Freitagabend abgeholt hatte, um lange Wartezeiten zu vermeiden, konnte ich entspannt in den Pre-Race-Day am Samstag starten. Ausschlafen, entspanntes Frühstück und danach ging es los auf meinen traditionellen Shake-Out-Run.

Wie schon bei vielen anderen Läufen der vergangenen Monate lief ich auch an diesem Tag mit einer gewissen Nervosität los. Wie würden sich meine Beine anfühlen, würde ich meine Trainingseinheit wie geplant durchziehen können oder ist der Lauf möglicherweise endlich wieder ein Lauf, der sich richtig gut anfühlt? So lief ich ein wenig zu schnell los, um meinen Beinen zu zeigen, dass es am nächsten Tag ernst werden sollte. Aber leider zeigte sich auch an diesem Tag sehr schnell, dass der Kopf einfach nicht gegen die Beine ankommen konnte. So absolvierte ich zwar die obligatorischen 5 Kilometer, aber von ausgeschüttelten Beinen kann danach nicht die Rede gewesen sein.

Ich war weiterhin unsicher, ob ich die Halbmarathondistanz am nächsten Tag wagen sollte. Aber ein Spaziergang durch die Stadt und dem Anblick von vorfreudigen Läufern an jeder Ecke stimmten mich so langsam auf den folgenden Tag ein. Und mir wurde immer klarer, dass ich das nicht verpassen wollte. Ganz egal, wie der Lauf ausfallen würde.
Also wurde der Pre-Race-Abend mit der traditionellen Pizza zum Carboloading eingeläutet und aufgrund der frühen Startzeit ging es für einen Samstagabend ungewöhnlich früh ins Bett.

RACEDAY – ICH WILL ZU FUSS NACH (DURCH) KÖLLE JONN…

Viel zu früh startete der Wettkampftag. Um 6 Uhr klingelte der Wecker, um pünktlich um 8:30 Uhr mit Frühstück im Magen und einem halbwegs wachen Kreislauf an der Startlinie stehen zu können. Vermutlich stellt man sich selten beim Aufwachen die Frage, weshalb man nicht einfach einen Marathon läuft. An diesem Morgen tat ich es allerdings, denn in Köln dürfen die Marathonläufer 1 1/2 Stunden länger schlafen. Klares Argument für die doppelte Distanz!

Ein kurzes Frühstück, schnell alle Sachen zusammengesucht und schon ging es los Richtung Startbereich auf der anderen Rheinseite in Deutz. Dort angekommen war schon die Hölle los. 15.000 Läufer sind nun mal eine Hausnummer. Und nach einer halbstündigen Wartezeit in der Schlange vor den Dixi-Klos sowie ein paar kurzen Wortwechseln mit bekannten Laufgesichtern ging es auch schon los.

Die ersten Kilometer lief ich natürlich viel zu schnell an. Wieso sollte ich auch aus vergangenen Fehlern lernen?! Aber ich ließ mich von der Masse mitziehen und das deutlich höhere Tempo als die ganzen letzten Monate fühlte sich anfänglich auch erst mal gut an. Also warum nicht testen was geht, wenn ich sowieso schon keine Erwartungen an meine Zielzeit oder überhaupt meine Ankunft im Ziel hatte.

Ab Kilometer 5 drosselte ich ein wenig mein Tempo. Die anfängliche Euphorie verflog so langsam und die Beine fingen an sich bemerkbar zu machen. Aber immerhin waren sie länger ruhig gewesen als bei vielen vergangenen Trainingsläufen. Immer positiv bleiben und weiter Richtung Ziel vorarbeiten. Bis Kilometer 14 lief ich weiter relativ locker, wenn auch mit etwas reduzierter Pace.
Ich war tatsächlich überrascht, wie gut es ging. Ich genoss die Strecke durch Köln, vorbei an den jubelnden Zuschauern und den Eckkneipen mit lauter Karnevalsmusik. Es war einfach schön dabei sein zu dürfen!

Ab Kilometer 15 musste ich allerdings spürbar gegen meine Beine kämpfen. Sie wollten einfach nicht einsehen, dass beim Halbmarathon eben erst nach Kilometer 21 Schluss ist. Aber gut, wer nicht hören will muss fühlen. Denn weiter sollte es gehen und zwar mit meinen Beinen. Ich konnte immerhin bis jetzt komplett durchlaufen ohne auch nur eine einzige Gehpause am Verpflegungsstand einlegen zu müssen. Das hätte ich mich im Vorfeld nicht zu träumen gewagt. Da sollte ich die letzten Kilometer doch auch noch irgendwie durchziehen können.
Also „Liebe Beine, jetzt ist mal Ruhe da unten!“ und „Wenn wir jetzt alle an einem Strang ziehen…“, ihr wisst Bescheid.

Zwischen Kilometer 15 und 16 traf ich einen befreundeten Läufer auf der Strecke, der mich schon diverse Male motiviert und mir beim diesjährigen 9-Meilen-Lauf in Leverkusen zu einer neuen Bestzeit verholfen hat. Wir wechselten ein paar Worte, die mich motivierten weiter durchzuziehen. So liefen sich die nächsten 500 Meter zumindest ein wenig beschwingter.
Aber die Euphorie hielt leider nicht ewig an, so dass ich weiter meinen leisen Kampf gegen meine Beine kämpfte und mich mit mentalen Spielereien versuchte bei Laune zu halten.

„Nur noch 4 Kilometer…“, „Nur noch 3 1/2…, ach nee ich zähle nur in ganzen Kilometern!“, „Also nur noch 3 Kilometer…“ und zack, da sah ich von Weitem schon meine Supporter an der Strecke. Juhu, ein Lichtblick! Ich klatschte mit ihnen ab, rief erleichtert „Nur noch 3!“ und lief euphorisiert weiter. Das Treffen ließ mich meine Beine wieder kurzzeitig vergessen und ich wusste mittlerweile, dass ich es tatsächlich schaffen würde.

Bei Kilometer 16 hatte ich mir ausgerechnet, dass eine Zeit unter 2:30 Stunden drin sein könnte. Das Kilometerschild Nr. 19 erschien und ich warf wieder meine Kopfrechenmaschine an. Ich war nach wie vor auf Kurs und konnte mir sogar sehr entspannte letzte zwei Kilometer leisten. Das war auch gut so, denn die Beine wollten mittlerweile gar nicht mehr. Kein gutes Zureden half, ich setzte einfach immer weiter Schritt für Schritt Richtung Dom. Denn, der Dom war auch in diesem Jahr wieder das Ziel.

Das Kilometerschild 20 kam und ich wusste, gleich geht es links auf die Hohe Straße, dann nur noch geradeaus, kurz um die Ecke und dann war ich im Ziel. Eigentlich wollte ich auf meinem letzten Kilometer noch einmal die Beine in die Hand nehmen. Aber daraus wurde nichts, die Beine hatten einfach keinen Bock mehr. Egal, die 2:30 Stunden würde ich nicht überschreiten, also warum auf den letzten Metern noch so einen Stress machen. Und nach einem endlos erscheinenden letzten Kilometer war es dann endlich soweit. Ich lief am Dom um die Ecke auf die Zielgerade. Die Zuschauer jubelten, feinste Karnevalsmusik tönte aus den Boxen und endlich durfte ich die Ziellinie passieren!

Ich stoppte die Uhr, die Zeit war mir egal. Also zückte ich erst mal mein Handy um ein Bild vom Zielbogen mit Dom im Hintergrund zu machen. Ich schaue auf’s Display und es sagt 11:11 Uhr. Das kann kein Zufall sein!
Schnell die wohlverdiente Medaille abgeholt und dann schnellstmöglich raus aus dem Zielbereich in die trockenen und warmen Klamotten.

Danach war dann auch Zeit meine Zielzeit zu checken. 2:27:57 sind es letztlich geworden. Deutlich langsamer als im letzten Jahr, aber darum sollte es ja an diesem Tag nicht gehen. An diesem Tag galt nur, die Beine zu besiegen und mir selbst zu zeigen, dass ich trotz allem noch einen Halbmarathon laufen kann.

MEIN FAZIT

Alles in allem war es ein durchweg gelungener Lauftag und so eine große, pulsierende Laufveranstaltung genau das, was mein Läuferherz nach den letzten holperigen Laufmonaten gebraucht hat. Darüber hinaus habe ich durch mein langes Entscheidungswirrwarr, ob ich tatsächlich an den Start gehen soll oder nicht noch einmal verinnerlicht, dass wir Läufer nicht immer nur die Zielzeit als das ein und alles ansehen dürfen. Beinah hätte mich die Angst vor einer Zielzeit, die mich nicht zufrieden stellt, von meiner Teilnahme abgehalten. Dabei ist das Laufen bei einem solchen Event doch so viel mehr und bringt auch trotz neuer Bestzeiten so viel Spaß und Freude mit sich.

Die externen Bedingungen, wie man so schön sagt, waren fast ideal zum Laufen. Die Temperaturen waren anfänglich zwar noch etwas kühl, aber hinten raus perfekt für einen (Halb-)Marathon.

Die Sonne zeigte sich zwar nicht, aber dafür blieb der angekündigte Regen aus, was meiner Meinung nach deutlich mehr wert ist. Einzig die steife Brise hat hier und da ein wenig an den Kräften gezerrt, insbesondere auf den längeren Geraden vorbei an höheren Gebäuden. 

Hinsichtlich der Organisation der Veranstaltung kann ich, wie auch im letzten Jahr, tatsächlich nicht sehr viel negatives berichten. Allerdings setzt man dies angesichts der Großstadt-Startgebühren und dem fast schon überheblich wirkenden Verbot, die Startnummer weiterzugeben oder umzumelden, voraus.
Die Startgebühren für den Halbmarathon gingen dieses Mal von 44 Euro in der günstigsten Anmeldestaffel bis 65 Euro für die letzte Staffel und Nachmeldungen, was schon ordentlich ist. Die nicht gegebene Möglichkeit einer Ummeldung ist aber tatsächlich ein Punkt, der mich nachhaltig stört.

Die Laufmesse war in diesem Jahr etwas spärlich und direkt auf dem Neumarkt unter einem Zeltdach für eine solche Veranstaltungsgröße etwas gewöhnungsbedürftig. Das Wetter hat gut mitgespielt und es gab in den Messetagen keine eisigen Temperaturen oder Unwetter, daher hat alles gepasst. An ungemütlicheren Oktobertagen stelle ich mir die Konstruktion aber doch etwas ungemütlich vor und verzichte insbesondere am Tag vor dem Wettkampf lieber auf einen zugigen Messebesuch unter einem Zeltdach. Dafür war aber die Erreichbarkeit der Marathon Expo somit unschlagbar, was in Köln in der Vergangenheit schon öfters anders war.

Die Laufveranstaltung selbst war wieder bestens organisiert. Einzig ein paar mehr Dixie-Toiletten im Startbereich hätten die Wartezeiten deutlich verkürzen können. Und auch im Zielbereich war es sehr voll und eine einzige Drängelei, was sicherlich auch der Örtlichkeit geschuldet ist. Aber mein Supporter-Team und ich haben ja schon festgestellt, entweder man ist erster oder letzter im Ziel, dann hat man das Geschiebe im Zielbereich nicht. Erster wäre natürlich besser, damit noch genug Zielverpflegung da ist. Apropos Zielverpflegung, die muss ich auch dieses Jahr wieder lobend erwähnen. In Köln gibt es tatsächlich nichts, was es nicht gibt. Das nächste Mal nehme ich mir nun wirklich nach dem Lauf mehr Zeit, um mich durch zu probieren! Dazu hätte ich dann auch gerne 25 Grad und Sonne, aber bitte erst im Ziel für meinen Festschmaus.

Ich werde in Köln auf jeden Fall wieder an den Start gehen. Die Strecke ist schön flach und bietet viel Abwechslung. Hinsichtlich Stimmung an der Strecke kann Köln sowieso so einiges und als Karnevalsjeck ist es immer wieder eine Freude zu schmissigen kölschen Rhythmen durch die Straßen zu laufen. Ob ich im nächsten Jahr wieder mit dabei sein werde oder erst in einem der Folgejahre, ich weiß es nicht.
Zuerst einmal kümmere ich mich um meine Beine, damit wir das nächste Mal in trauter Zwei- bzw. Dreisamkeit über die Ziellinie laufen können!

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