Egmond Halve Marathon 2018 – Kampf gegen die Naturgewalten

Ungewöhnlich früh ging es für mich am 14.01.2018 über die erste Startlinie des Jahres. Inmitten der Larifari-Läufe, um meine Ausdauer über den Winter nicht ganz zu verlieren, sollte es für mich diesmal schon zwei Wochen nach Jahresbeginn einen Halbmarathon geben. Und zwar nicht irgendeinen, sondern den Saucony Halve Marathon in Egmond aan Zee (Niederlande). Ein über die niederländischen Grenzen hinweg berüchtigter Lauf bei dem man schlichtweg gegen Naturgewalten und Gezeiten ankämpfen muss. Als Holland-Liebhaberin habe ich schon mehrere Jahre mit dem Lauf geliebäugelt, war aber meist im Januar nicht auf dem passenden Ausdauerlevel für einen Halbmarathon oder habe keinen Startplatz mehr ergattern können. In diesem Jahr stimmte aber dank Marathonvorbereitung auch noch 2 1/2 Monate später die Ausdauer und um den Startplatz hatte ich mich wohlweislich schon im Sommer gekümmert.

MEINE VORBEREITUNG

Da ich ohne jegliche Ambitionen hinsichtlich Zielzeit an den Start gehen und einfach meinen Laufwinter mit ein bisschen Wettkampf-Feeling auflockern wollte, gab es für mich keine spezifische Vorbereitung auf den Lauf. Nach meinem Marathon Ende Oktober 2017 hatte ich die Laufumfänge merklich reduziert und meinem Körper etwas Ruhe gegönnt. Dieses Lotterleben sollte aber Mitte Dezember mit den freien Tagen rund um die Weihnachtstage ein Ende haben. Mit täglichen Läufen durch das Bergische Land, konnte ich zum Jahresende noch ordentlich Kilometer und Höhenmeter sammeln. Auch ein vereinzelter langer Lauf von 18 km war dabei, so dass ich nicht gänzlich unvorbereitet für die Halbmarathon-Distanz war.

Dennoch war mir klar, dass die Strecke in Egmond eher ungeeignet ist für neue Bestzeiten. Die anspruchsvolle Strecke über den Strand und durch die hügelige Dünenlandschaft gepaart mit unbeständigen Wetterbedingungen kostet wertvolle Minuten, die man auf den ebenen Teilen der Strecke nicht so einfach aufholen kann. Daher war der Plan, einfach nur laufen, Spaß haben und um die Bestzeiten kümmere ich mich dann wieder während der wärmeren Jahreszeit.

DER TAG DAVOR

Am frühen Samstagmorgen ging es mit dem Auto in Richtung des niederländischen Küstenorts Bergen aan Zee, wo unser Hotel gelegen war. Dort angekommen wurde ich erst einmal von dem Hotelier auf den Boden der Tatsachen geholt, was den Lauf am nachfolgenden Tag anging. Er hatte offensichtlich schon einige Halbmarathons und Marathons in seinem Leben mitgenommen und beschrieb mir den Lauf in Egmond als den härtesten Halbmarathon seines Lebens und mit einem Anstrengungslevel, was eher einem 3/4-Marathon als nur einem halben gleiche. Nun gut, ein Zurück gab es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr.
Also, gab es für den folgenden Tag nur eine Option: Augen zu und durch!

Nach einem kurzen Spaziergang durch Bergen aan Zee mit Kaffeepause im Strandpaviljoen, ging es nach Egmond aan Zee zur Abholung der Startunterlagen. Im kleinen Küstenort herrschte trotz Höhepunkts der Off-Season ein reges Treiben. Überall bevölkerten Teile der 18.000 Läufer und ihre Begleiter die Cafés, Restaurants und Geschäfte. Schnell war die Startnummer abgeholt, eine Stärkung in Form von einem echt holländischen Pannekoeken mit Ausblick auf den Strand verspeist und die kleine Ortschaft durchkämmt. Da der Tag noch jung war, ging es noch in die nahe gelegene Käsestadt Alkmaar. Dort schlenderten wir durch die Innenstadt mit ihren Geschäften und der Sehenswürdigkeit schlechthin, dem Käsemuseum. Am Abend gab es dann noch eine Stärkung für den Folgetag in Form von vegetarischem Burger und Pommes, bevor es zurück nach Bergen aan Zee ins Hotel ging.

#FINDYOURSTRONG – IT’S RACEDAY

Der Wettkampftag startete glücklicherweise zu einer humanen Uhrzeit. Um acht Uhr klingelte der Wecker und nach einem ausladenden Frühstück am Hotelbuffet ging es viel zu früh vom Hotel in Bergen aan Zee in Richtung Egmond. Aufgrund der Veranstaltungsgröße wurde Egmond am Veranstaltungstag für den Autoverkehr gesperrt. Daher gab es Pendelbusse, die Läufer und Zuschauer zum Veranstaltungsort bringen sollten. Wir hatten für die Anreise extra etwas mehr Zeit eingeplant, wurden dann aber von dem reibungslosen Ablauf überrascht und waren in nullkommanix – viel zu früh – in Egmond.
Das Wetter war trocken, aber mit 2 Grad ungemütlich kalt. Die Wartezeit überbrückten wir daher in der warmen Turnhalle bei heißen holländischen Technobeats und Schlagerrhythmen. Kurz vor Start meines Startblocks – die Startzeiten der unterschiedlichen Startblöcke waren glücklicherweise fest angegeben, so dass man nicht stundenlang in der klirrenden Kälte ausharren musste – ging es raus aus der muckelig warmen Turnhalle, mit kurzem Stopp am Dixie-Klo, hin zum Startblock wo ein eisiger Wind wehte. Kurzzeitig stellte ich meine Entscheidung für den Start bei dem Lauf als große Frostbeule in Frage. Aber gut, ich stand mittlerweile mit Laufschuhen und Startnummer im Startblock und nur noch meine übergeworfene Winterjacke trennte mich von einer authentischen Erscheinung als Läufer. Mir blieb wohl nichts andere übrig als mich mit meinen rund 18.000 Mitstreitern auf die Strecke zu begeben.

Pünktlich auf die Minute wurde unser Startblock auf die Strecke entlassen. Vorbei an jubelnden Massen ging es abwärts Richtung Strand. Die ersten Meter am Strand waren schwerfällig. Der Sand war tief und aufgelockert, aber schnell wurde die Strecke zu einem plattgetretenen Trampelpfad, auf dem es sich deutlich angenehmer laufen ließ als ich es mir jemals für die ersten 7 Kilometer am Strand erträumt hatte. So lief ich locker-flockig, in angenehmer Pace mit den Läufermassen am Strand entlang und traf lustigerweise im Läuferfeld auf einen weiteren #instarunner aus Köln. Wir liefen ein paar Kilometer zusammen, bis uns dann ein abrupter Wechsel der Bodenbeschaffenheit trennte. Der Trampelpfad war durch die steigende Flut plötzlich vom Wasser bedeckt, so dass wir Läufer auf den lockeren Sand ausweichen mussten. So stapften wir also stoisch hintereinander her durch den tiefen Sand und versuchten irgendwie Kilometer um Kilometer – oder eher Meter – gut zu machen. Meine Pace war mittlerweile bei 8 Minuten/Kilometer angelangt und vor mir sah ich immer noch das kilometerlange Läuferfeld welches sich den Weg am Meer entlang durch den Sand bahnte. Zwischenzeitlich versuchten wir  dann doch den etwas festeren nassen Sand direkt am Wasser für ein paar nicht ganz so kräftezehrenden Meter zu nutzen. Dies wurde allerdings meist sehr schnell mit einer überraschend hohen Welle und somit nassen Füßen abgestraft. Also hieß es neben wassergetränkten Schuhen zusätzlich weiter Sand in den Laufschuhen und -socken zu sammeln.

Bei Kilometer 7 war der Strandabschnitt endlich geschafft und es ging unter lautem Getöse der Zuschauer und zu den Beats von Captain Jack über den Strandaufgang steil hinauf ins Dünengebiet. Ab hier wurde zwar die Bodenbeschaffenheit angenehmer zum laufen, da der Boden mittlerweile eher einem festen Waldboden glich, dafür gab es aber einige Hügel zu bewältigen. So ging es auf und ab. Ein Überholen war aufgrund der schlecht einsehbaren Strecke und dem nicht ganz so ebenen Boden nicht so einfach. Daher blieb ich einfach hinter den Läufern vor mir und überholte nur selten ein paar Mitläufer die mich deutlich ausbremsten.

Ab Kilometer 14-15 wurde die Strecke um einiges angenehmer. Die Wege waren mittlerweile großteils gepflastert und auch die Höhenmeter ließen deutlich nach. Das wäre der Punkt gewesen, an dem ich bei ausreichender Vorbereitung und ein paar mehr langen Läufen im Vorfeld, noch einmal meine Beine in die Hand hätte nehmen können, um ein paar langsamere Kilometer auf den vorherigen Abschnitten wett zu machen. Aber der mittlerweile fortgeschrittenere Kilometerstand auf meiner Laufuhr sowie die ungewöhnlichen Bedingungen bis zu diesem Zeitpunkt des Laufs hatten meinen Beinen ein wenig zugesetzt. Daher entschied ich mich einfach dafür meine Pace zu halten und den Lauf ohne große Aufregung ins Ziel zu bringen.

Mittlerweile war auch der Punkt im Wettkampf gekommen, an dem man alle Läufer um sich herum irgendwie zu kennen vermag. Der Herr mit dem federnden Laufschritt, das Mädel ganz in pink oder der Typ, der trotz eisiger Temperaturen in kurzer Hose und T-Shirt vor einem her läuft. Ein jeder Läufer, der schon bei ein paar Wettkämpfen gestartet ist, wird dieses Gefühl kennen. Und so kam es auch, dass ich mit ein paar Mitläufern ins Gespräch kam, was sich im Ausland natürlich ein wenig schwieriger darstellt. Erfreulicherweise durfte ich sehr schnell feststellen, dass es sich mit meinen Fremdsprachenkenntnissen bei Kilometer 18 ähnlich verhält wie nach drei Bier und sechs Schnaps. Also konnte ich problemlos meine leicht eingerosteten Niederländisch-Kenntnisse reaktivieren und wurde zu meiner Verwunderung sogar für eine Muttersprachlerin gehalten. Nun ja, ich schiebe dieses Missverständnis einfach mal auf die weniger gut durchbluteten Gehirnhälften meiner Gesprächspartner – das Blut wurde schließlich in den Beinen benötigt.

Bei Kilometer 20 rutschte mir dann noch einmal kurz das Herz in die Hose, denn zwei meiner Mitläufer meinten zu wissen, dass wir gegen Ende noch einmal ein Strandstück zu bewältigen hatten. Ich war zu diesem Moment für alles bereit – ein starker Anstieg, eine Verlängerung der Strecke um fünf Kilometer oder sogar die restliche Strecke durch’s Wasser waten zu müssen – aber nicht für auch nur einen weiteren Meter durch den Sand. Glücklicherweise sollten meine Mitläufer nicht im Recht bleiben und die einzigen Hindernisse auf dem letzten Kilometer waren – neben dem Kilometer an sich – ein für holländische Verhältnisse steilerer Hügel und der langgezogene Anstieg die letzten Meter vorbei am Leuchtturm bis hin zum Ziel.

Kurz vor der Ziellinie wagte ich einen Blick auf meine Laufuhr, die ich bei dem Lauf ausnahmsweise mal relativ wenig beachtet hatte. Ich sah, dass eine Zielzeit von 2:30 Stunden oder knapp darunter möglich sein konnte. Auch wenn ich ohne Ziel gestartet bin, eine Zielzeit von 2:30 Stunden wollte ich wenn möglich nicht überschreiten. Also Beine in die Hand und schnellen Fußes ins Ziel. Punktlandung. Meine Laufuhr zeigte 2:29:59 Stunden an und die offizielle Zeit liegt bei 2:30:00 Stunden. Ich würde sagen, passt!

Im Ziel angekommen gab es die wohlverdiente Medaille und leider aber auch nicht sehr viel mehr. Gegen die Kälte gab es ein Plastikponcho und meinen Durst hätte ich mit einem süßlichen Energiegetränk stillen können, aber das war es dann auch schon. Wer die Zielverpflegung bei deutschen Laufveranstaltungen gewohnt ist, ist daher zurecht ein wenig enttäuscht. Da ich aber sowieso schnellstmöglich raus aus den verschwitzten Klamotten und rein ins Warme wollte, ging es für mich schnurstracks von der Ziellinie zur Dusche.
Nach einer kurzen Dusche wagten wir es, den Weg heraus aus Egmond zu den Sammelparkplätzen anzutreten. Wie schon am Morgen gab es Pendelbusse, allerdings war das erhöhte Fahrgastaufkommen zur Stoßzeit nach dem Halbmarathon nicht ganz so einfach zu bewältigen. Das führte dazu, dass wir trotz Platz am Anfang der Warteschlange trotzdem fast 30 Minuten in eisiger Kälte auf den Bus warten mussten. Bei Ermüdung und Hunger nach dem Lauf noch einmal eine Herausforderung. Aber angekommen am Auto wurde die Heizung voll aufgedreht und ab ging es zurück nach Hause mit Halt an der Raststätte für warmen Kaffee und dem langersehnten Snack.

MEIN FAZIT

Der Egmond Halve Marathon ist im Vergleich zu den Straßenläufen, die ich sonst so laufe, eine ganz besondere Herausforderung. Die Begebenheit der Strecke ist abwechslungsreich und verlangt einem einiges ab. Dafür wird man aber auch mit atemberaubenden Ausblicken und landschaftlicher Schönheit belohnt. Dadurch, dass der Lauf immer im Januar stattfindet hat man in jedem Fall mit ungemütlicheren Wetterverhältnissen zu tun als in der warmen Jahreszeit. Und auch wenn das Wetter in diesem Jahr gut mitgespielt hat, kein Sturm tobte und zwischenzeitlich sogar die Sonne heraus kam, kann die Wetterlage an der Nordsee Anfang des Jahres um einiges unangenehmer und kräftezehrender sein. Hätten wir beispielsweise auf dem Strandabschnitt zusätzlich mit starkem Gegenwind zu kämpfen gehabt, wäre das noch einmal eine ganz andere Hausnummer gewesen.

Wer also über einen Start beim Halbmarathon in Egmond aan Zee nachdenkt, der sollte auch diese Aspekte im Hinterkopf behalten. Darüber hinaus ist die Laufveranstaltung aber durchaus zu empfehlen. Mit einer Startgebühr von nur 25 Euro (ohne Staffel) ist der Lauf bei der Größe des Läuferfelds ein regelrechter Schnapper. Auch wenn die Zielverpflegung so gut wie nicht existent war und es keine Starterbeutel gab. Die wichtigsten Sachen wie Startnummer, Zeitmessung, Kleiderbeutelabgabe, Streckenverpflegung und Medaille waren abgedeckt und in der Startgebühr inkludiert.
Hinsichtlich der Organisation kann ich auch so gut wie nichts negatives sagen. Von der Startnummernausgabe über die auf die Minute pünktlichen Starts der unterschiedlichen Startblöcke bis hin zu der Beschilderung auf der Strecke (rechts halten und links überholen sowie Infotafeln vor den Verpflegungsstationen, was es an welcher Stelle gibt), fand ich die Organisation rundum gelungen. Einziger Kritikpunkt wäre die  Organisation der Pendelbusse. Auf dem Hinweg sind wir problemlos ohne große Wartezeiten nach Egmond gekommen, aber auf dem Rückweg gab es lange Wartezeiten was in der kalten Jahreszeit noch einmal mehr unangenehm ist und nach der sportlichen Betätigung auch mal eine Erkältung provozieren kann. Allerdings ist eine Laufveranstaltung mit 18.000 Startern in einem kleinen Küstenörtchen wie Egmond aan Zee auch eine logistische Herausforderung, für die man erst einmal eine bessere Lösung finden muss.

Aktuell bin ich noch unsicher, ob ich im nächsten Jahr wieder an den Start gehen werde. Der Lauf eignet sich auf jeden Fall, um im Winter nicht ganz einzurosten und zum Jahresstart schon wieder langsam Fahrt aufzunehmen. Darüber hinaus kann man sich noch einmal ganz anders herausfordern als bei herkömmlichen Halbmarathons. Allerdings ist die Grippewahrscheinlichkeit Mitte Januar auch relativ hoch und der Lauf für mich mit einer längeren Anreise und mindestens einer Hotelübernachtung verbunden. Sollte es aber auch im kommenden Januar wieder nach Egmond gehen, dann werde ich auf jeden Fall früher nach einer Bleibe Ausschau halten, um direkt in Egmond unterzukommen. So spart man sich die An- und Abreise mit den Pendelbussen und kann sehr viel entspannter beim Lauf starten.

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