Köln Halbmarathon 2017 – Von himmlisch jeck zu unterirdisch erschlagen
- 2. Oktober 2017
Am 01.10.2017 hieß es in der Domstadt wieder Marathon statt Karneval – oder aber an mancher Stelle auch Karneval weil Marathon. Für mich war es nach einem Jahr Abstinenz der zweite Start beim Halbmarathon in Köln. Nach zwei guten Halbmarathons im April in Berlin und im Juni in Leverkusen wollte ich in Köln noch einmal testen was zum Saisonabschluss noch so geht und optimalerweise meine Bestzeit knacken.
MEINE VORBEREITUNG
Meine Vorbereitung fiel dieses Mal eher Halbmarathon-unspezifisch aus. Ich hatte ja bereits einige Wochen vor dem Halbmarathon die Entscheidung getroffen mich in diesem Herbst doch noch an der vollen Marathon-Distanz zu versuchen, daher stand die Vorbereitung auf die Königsdistanz in den letzten Wochen deutlich im Vordergrund und der Halbmarathon in Köln wurde von dem ursprünglich geplanten fulminanten Saisonabschluss unverdienterweise degradiert zu einem Testwettkampf im Rahmen der Marathon-Vorbereitung.
Durch eine stressige Phase in meinem Arbeitsalltag war der letzte Monat vor dem Wettkampf lauftechnisch gefühlt eine halbe Katastrophe gewesen – auch wenn es bei genauer Evaluierung im Nachgang nicht ganz so schlimm aussieht und ich dank einiger langer Läufe erstmalig die 200 km-Marke für den Monat September knacken konnte.
Die langen Läufe konnte ich zwar trainingsplankonform am Wochenende durchziehen. Aber unter der Woche mussten einige Läufe ausfallen, da ich einfach zu spät aus dem Büro kam und die Winterzeit sich mit einem immer früheren Sonnenuntergang langsam bemerkbar machte. Auch die Intervall-Einheiten auf der Laufbahn mussten hin und wieder aufgrund von anderweitigen Veranstaltungen auf dem Sportplatz gecancelt werden. Zudem machte hier und da mein Knie Probleme, was mich zwar nicht zur Laufpause zwang, einige Läufe aber durchaus etwas weniger angenehm gestaltete und mich auf längeren Distanzen teilweise zu Gehpausen zwang.
Somit kann ich abschließend zu meiner Vorbereitung sagen, dass sie definitiv nicht so gut verlaufen ist wie für den EVL-Halbmarathon im Juni. Und dazu – was noch viel schlimmer war – fühlte ich mich auch einfach nicht perfekt vorbereitet für den Wettkampf. Ich wusste nicht, zu was mein Körper in der Lage sein könnte, demnach war ich unsicher welche Zielzeit ich mir setzen sollte. Ich wusste nicht einmal, welche Laufschuhe mich auf den 21,0975 km durch Köln begleiten sollten und am ehesten eine Gehpause aufgrund von Knieschmerzen abwenden könnten.
Aber ich hatte mich schon seit dem Tag der Anmeldung auf den Halbmarathon in Köln gefreut und auch dieser Gedanken-Wirrwarr im Vorfeld tat der Vorfreude keinen Abbruch. Denn eines wusste ich, nach den langen Läufen im Rahmen der Marathonvorbereitung sollten die rund 21 Kilometer das geringste Problem sein. Und etwas mehr Tempo als im Training bringt die Wettkampfsituation in den meisten Fällen automatisch mit sich.
DER TAG DAVOR
Der Tag vor dem Halbmarathon startete für mich in aller Herrgottsfrühe. Da für den gesamten Tag – außer in den Morgenstunden – Dauerregen vorhergesagt wurde, entschied ich mich meinen Shake-Out Run direkt nach Sonnenaufgang abzuhaken. Ganz nebenbei konnte ich meinen Biorhythmus so schon einmal vorsichtig auf den frühen Halbmarathonstart um 8:30 Uhr am Folgetag vorbereiten. Der Lauf lief eher mittelmäßig. Ich hatte schon die ganze Woche mit leichtem Halskratzen zu kämpfen, was dank hustender und schniefender Kollegen im Büro nicht unbedingt besser wurde. Zudem lief schon der letzte Trainingslauf über 11 km am Mittwoch vor dem Halbmarathon nicht so optimal wie man es sich vor dem Halbmarathon normalerweise wünscht. So konnte ich tatsächlich nur die optimal getimte Regenpause für den Shake-Out Run als positiv bewerten. Ansonsten lief es mit einer mittelmäßigen Pace bei leicht erhöhtem Puls nicht zufriedenstellend. Trotzdem konnte ich die kurze Runde über etwas mehr als 5 Kilometer absolvieren, ein paar Dehnungs- und Mobilisationsübungen einbauen und so wenigstens meinen Kopf ein wenig beruhigen, dass wenigstens die Beine ausreichend gelockert sein sollten.
Nach dem Lauf ging es direkt zur Marathonmesse in der Lanxess Arena in Köln. Wieder einmal wurde mein frühes Aufstehen belohnt, denn ich konnte ohne jegliche Wartezeit direkt meine Startunterlagen in Empfang nehmen.
Kurz über die Messe geschlendert, ging es dann aber auch schon wieder nach Hause. Mein Hals kratzte immer noch und ich fühlte mich nicht 100%ig fit, weshalb im Regen durch die Stadt laufen nicht die beste Beschäftigung für den Tag vor dem Halbmarathon sein sollte. Den Nachmittag verbrachte ich demnach also eher im Ruhemodus auf der Couch mit Husten-Bronchial-Tee und Carboloading in Form von Kuchen. Am Abend folgte dann noch die obligatorische Pre-Halbmarathon-Pizza, bevor ich früh ins Bett ging um am nächsten Tag fit an der Startlinie stehen zu können.
RACEDAY – KUMM LOSS MER LAUFE
Am Sonntag klingelte der Wecker bereits um 5:45 Uhr und nach einem schnellen Frühstück ging es dann schon Richtung Köln Deutz, von wo der Halbmarathon startete. Dunkelheit und 8 Grad Außentemperatur trugen nicht unbedingt dazu bei, dass ich mich fit und agil für den Lauf fühlte. Aber wenigstens hatte sich das Halskratzen über Nacht verflüchtigt und ich fühlte mich gesundheitlich bereit um an den Start zu gehen. Nachdem dann im Startbereich auch langsam die Sonne aufging und die ersten Karnevalslieder gespielt wurden, war auch meine Motivation vollständig entfacht und so ging es für mich 11 Minuten nach dem Startschuss bestgelaunt über die Startlinie in Richtung Ziel, dem Dom.
Der erste Kilometer war etwas überfüllt, aber lief dennoch gut und schnell. Trotz Sonne war es noch ziemlich frisch und ich musste mich erst einmal ein wenig warmlaufen. Ab dem zweiten Kilometer verteilte sich das Läuferfeld ein wenig und ich konnte Gas geben. Bis Kilometer 7 war ich viel zu schnell unterwegs, aber die Beine liefen und liefen einfach. Hin und wieder warf ich einen besorgten Blick auf die für mich ungewohnte Pace von deutlich unter 6 Minuten auf der Uhr. Aber bei den letzten beiden Halbmarathons war mir der zu schnelle Start ja auch nicht zum Verhängnis geworden, wieso sollte es heute also nicht auch gutgehen?! So lief ich fidel weiter, sog die gute Stimmung am Streckenrand auf und ließ mich mit dem Läuferfeld treiben.
Zwischen Kilometer 7 und 17 nahm ich minimal das Tempo raus, war aber noch immer schneller unterwegs als jemals im Vorfeld erwartet. Die 10 km-Marke konnte ich sogar mit neuer Bestzeit passieren, nur dass es im Gegensatz zu einem 10 km-Wettkampf danach noch 11 km weitergehen sollte. Ich merkte so langsam, dass mir die ersten schnellen Kilometer ziemlich viel Kraft gekostet hatten, konnte aber trotzdem die Pace halten. Nur eben mit etwas mehr Mühe, aber ein Halbmarathon ist eben auch kein Spaziergang und eine neue Bestzeit läuft sich auch nicht mal so nebenbei.

Bei Kilometer 17 kam dann der tatsächliche Einbruch. Die letzten Kilometer hatte ich zwar bereits deutlich gespürt, dass ich durch den schnellen Start meine Reserven schon sehr früh verbraucht hatte, konnte aber mein Tempo noch einigermaßen halten. Ab Kilometer 17 wurde meine Pace dann aber spürbar langsamer und ich schleppte mich mit unterschiedlichsten Gedankenspielen wie „Nur noch 3 Kilometer, das ist so viel wie von Mainbrücke xy bis nach Hause“ oder „Nur noch 1/10 der Strecke“ von Kilometermarkierung zu Kilometermarkierung. Auch das dritte Passieren des Rudolfplatzes bei Kilometer 18, wo die Stimmung der Zuschauer wirklich atemberaubend war und mich bei den ersten beiden Malen extrem motiviert hatte, konnte mich nur minimal aufheitern. So kämpfte ich mich dann irgendwie weiter Richtung Ziel. Auf dem letzten Kilometer konnte ich noch einmal etwas Tempo machen und endlich konnte ich die Spitze des Doms über den Häusern erkennen. Nicht mehr weit, denn „der Dom ist das Ziel“. In der letzten Kurve beim Abbiegen auf die Komödienstraße tobten die Zuschauer und feuerten an was das Zeug hält. Die letzten Meter und endlich war es geschafft!

Im Ziel kam ich kaum dazu meine Laufuhr zu stoppen, da direkt neben mir ein junger Mann kollabierte. Ich konnte ihn gerade noch so halbwegs auffangen bevor ein Sanitäter herbeieilte. Wieder einmal mehr aus nächster Nähe miterlebt, dass ein Finish oder eine neue Bestzeit nicht alles ist, sondern dass man unbedingt auf seinen Körper hören sollte.
Nach dem Schreck konnte ich dann aber auch einen Blick auf meine Zielzeit werfen. Mit 2:15:27 h konnte ich meine Bestzeit aus dem Juni um 35 Sekunden verbessern. Immerhin etwas und das trotz eines in keinster Weise optimalen Rennverlaufs. Auch wenn ich mich ein wenig darüber ärgere, dass ich mit einem entspannteres Tempo zu Beginn des Laufs insgesamt eine schnellere Zeit hätte erreichen können und zu allem Überfluss noch die 28 Sekunden zur Sub 2:15 gefehlt haben, bin ich stolz den Lauf noch in dieser Zeit beendet zu haben. Und um eine Erfahrung reicher bin ich allemal.
MEIN FAZIT
Es war ein toller Lauf, mit einer super Organisation, einem super Publikum und besten Wetterbedingungen. Mein zu schneller Start hat mir zwar hinten raus den Lauf ganz schön schwer gemacht, aber dafür weiß ich nun, dass das nächste Mal auf jeden Fall eine neue Bestzeit auf der 10 km-Distanz drin sein sollte und bin zusätzlich sensibilisiert, bei der vollen Marathon-Distanz nicht den gleichen Fehler zu machen.
Nachdem ich nun zum wiederholten Male beim Halbmarathon überrascht war, was mein Körper in der Wettkampfsituation so alles leisten kann – in diesem Fall nun die Pace auf den ersten 17 Kilometern – werde ich mein Training noch einmal überdenken und mich ein wenig mehr fordern müssen. Im Wohlfühltempo läuft es sich ganz gut, aber um besser zu werden muss man hin und wieder auch mal über seine Grenzen hinausgehen. Und dieser Halbmarathon hat mir mal wieder gezeigt, dass meine Grenzen ganz woanders liegen als ich bislang dachte.
Der Köln Halbmarathon ist auf jeden Fall eine tolle Veranstaltung. Die Startgebühren sind zwar echt nicht ohne (jetzt zahlt man für die Anmeldung für das kommende Jahr bereits 44 Euro), dafür bekommt man aber auch eine saubere Organisation, top Verpflegung und hochwertige Materialien wie Starterbeutel und Medaille. Sowieso bin ich von der Medaille in diesem Jahr ganz angetan! Und bei der Zielverpflegung gibt es nichts, was es nicht gibt. Das nächste Mal werde ich mir wohl noch einmal zwei Stunden Zeit nehmen müssen um mich durch alle Essensstände durch zu probieren.
Die Strecke ist durchgängig asphaltiert, am Ende gibt es ein kurzes Stück mit Kopfsteinpflaster. Zudem ist der Kurs sehr flach, also bestens geeignet für neue Bestzeiten. Man läuft durch die unterschiedlichen „Veedel“ von Köln und erlebt dort immer wieder die Herzlichkeit der Kölner, die in aller Herrgottsfrühe im Morgenmantel aus dem Fenster anfeuern oder ihren privaten Cheering Point mit Karnevalsmusik vor dem Haus aufgebaut haben. Den Rudolfplatz passiert man ganze drei Mal und hier sammeln sich auch die anfeuernden Massen. Die Stimmung ist unbeschreiblich und verleiht einem jedes Mal wieder ein absolutes Hochgefühl – außer eben wenn wie bei mir komplett der Ofen aus sein sollte.
Für mich ist klar, ich werde auf jeden Fall wieder in Köln starten. Ob auf der halben oder der ganzen Distanz ist noch nicht klar. Ob bereits im nächsten Jahr oder erst später auch nicht. Aber Köln ist immer wieder ein Lauf wert und der Start Anfang Oktober liegt noch nicht zu tief in der Erkältungszeit und kann – wie sich dieses Jahr erfolgreich gezeigt hat – auch noch auf einen schönen sonnigen Herbsttag fallen.

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