Berlin Halbmarathon 2019 – Mit Bestzeit durch’s Brandenburger Tor

Am 07. April 2019 lud Berlin wieder zur großen Läuferparty zum Start in die Laufsaison ein. 37.000 Läufer aus mehr als 100 Ländern folgten der Einladung und versammelten sich auf den Straßen der Hauptstadt, um gemeinsam die neue Strecke über 21,0975 km zu laufen.

Auch ich wollte nach einem Jahr Berlin-Pause unbedingt wieder dabei sein, daher hatte ich mich bereits vorausschauend fast ein ganzes Jahr vorher für den Lauf angemeldet, denn die günstigsten Startplätze sind schnell vergriffen. Dass ich im Abstand von nur einer Woche bei zwei Halbmarathons, dem Venloop und Berlin, startete, hatte ich nicht bewusst geplant und erst nach der Anmeldung bei beiden Läufen festgestellt. Nachträglich bin ich aber froh, dass es so gekommen ist und bewusst hätte ich mir diese Kombi vermutlich nicht ausgesucht.

MEINE VORBEREITUNG

Wie schon für den Venloop eine Woche vorher, bestand meine Vorbereitung eher aus Laufpausen und qualitativ „schlechten“ Trainingseinheiten ohne jeglichen hochwertigen trainingsplanerischen Hintergrund. Aufgrund von regelmäßigen Trainingspausen fehlte es mir an Ausdauer, aber dank operierter Beine hatte ich ganz ohne Intervalle und Tempoeinheiten an Tempo gewonnen. Letzteres konnte mir bereits in Venlo zu einer neuen Bestzeit über die Halbmarathon-Distanz von 2:12:43 verhelfen. Und das ganz ohne fundiertes Training im Vorfeld und ohne gestecktes Zeitziel. Für Berlin hieß das, dass ich mich zumindest hinsichtlich meiner Zielzeit besser einordnen konnte, das Training fehlte aber noch immer.

DIE TAGE DAVOR

Nach Venlo setzte ich den Fokus in den darauffolgenden Tagen auf Regeneration, um am kommenden Sonntag bestmöglich ausgeruht erneut an der Startlinie stehen zu können. So machte ich mir in dieser Woche bis auf zwei 10 km-Läufe sportlich gesehen einen Lenz. Und so kam es, dass der erste 10 km-Lauf drei Tage nach der Halbmarathon-Bestzeit schon wieder überraschend gut und vor allem schnell lief. Mein Knie, welches einen Tag nach Venlo aufgrund der ungewohnten Belastung ein wenig gemuckt hatte, war in der Zwischenzeit auch wieder verstummt. Vermutlich hatte es aufgrund der erneuten Vorfreude, die in meinem Kopf tobte, resigniert und sich seinem Schicksal eines erneuten Halbmarathons hingegeben.

Meine Startunterlagen konnte ich dank einer berufsbedingten früheren Anreise nach Berlin praktischerweise schon am Freitagabend abholen. So blieben mir großartige Wartezeiten erspart und ich konnte schnurstraks über das Messegelände am Tempelhofer Flughafen durchmarschieren bis zur Startnummernausgabe. Die Marathonmesse war, wie schon in 2017, etwas ernüchternd. Aber so wurde zumindest mein Geldbeutel geschont und ich konnte mich ähnlich schnell auf den Rückweg zum Hotel machen, wie ich gekommen war.

Danach ging es auf meinen vorgezogenen Shake-Out-Run, da ich den Samstag in Berlin nutzen wollte. Aufgrund der längeren Regenerationszeit, die mir bis zum Start am Sonntag verblieb, wurden aus den üblichen 5 km Beine auslockern einfach mal 10 km. Auch dieser zweite Lauf der Woche lief locker-flockig und auf dem letzten Kilometer baute ich noch ein paar schnelle Intervalle ein, um die Beine auf Sonntag einzustimmen. So kam es, dass ich erneut meine Pace steigern konnte und sich langsam der leise Gedanke an eine erneute Bestzeit in meinem Hinterkopf breit machte.

RACEDAY – VON SIEGESSÄULE BIS BRANDENBURGER TOR

Mit Startschuss um 10:05 Uhr und konkreten Startzeiten für die einzelnen Starterwellen, nach welcher ich erst um 10:40 Uhr über die Startlinie laufen durfte, blieb mir ein elendig frühes Aufstehen am Wettkampftag erspart. Dennoch sollte man in Berlin aufgrund der Veranstaltungsgröße besser etwas mehr Zeit einplanen, daher ging es für mich nach einem kurzen Frühstück im Hotel, schon um kurz nach 8 Uhr in Richtung Startbereich. Dort angekommen, traf ich auf ein paar Instarunners, mit denen ich mir die Wartezeit bei bereits angenehmen sonnigen Temperaturen vertrieb. Ich teilte mein Ziel, welches mir schon die ganze Zeit im Hinterkopf umher schwirrte: Neue Bestzeit und optimalerweise eine Zielzeit von unter 2:10:00.

Binnen kürzester Zeit hatte ich mit Jörg einen persönlichen Pacemaker für mein Vorhaben gefunden. Er lief den Halbmarathon im Rahmen seiner Marathonvorbereitung und musste den Lauf aufgrund eines kurzen Anflugs einer Erkältung in den Tagen zuvor etwas langsamer angehen. Beste Voraussetzung, um mich auf dem Weg zu meiner neuen Bestzeit zu begleiten.

Pünktlich um 10:40 Uhr wurde mein Startblock auf die Strecke entlassen. Jörg und ich liefen mit bester Laune los und waren auf dem ersten Kilometer wieder einmal zu schnell unterwegs. Ich scheine es auch einfach nicht zu lernen. Ab dem zweiten Kilometer behielten wir beide die Uhr etwas genauer im Blick und bremsten uns gegenseitig, wenn die Pace deutlich unter 6 Min./Kilometer ging. So liefen wir locker flockig durch die sonnigen Straßen von Berlin und genossen die gelöste Stimmung am Streckenrand. Überall standen Menschen, die anfeuerten. Bands hatten sich am Straßenrand positioniert und spielten für die vorbeilaufenden Massen.

Bei Kilometer 5 gab es den ersten Verpflegungsstand. Der Punkt an dem ich bereits in der Vorwoche in Venlo meine Mitläuferin verloren hatte. Auch dieses Mal, war das Gewusel um die Wasserbecher groß und dazu musste Jörg einen kurzen Stopp auf dem Dixie einlegen. Ich lief weiter und hoffte, dass mich Jörg kurze Zeit später wieder einholen konnte. Aber ich hatte schließlich eine Zielzeit im Hinterkopf, die keine unplanmäßigen Pausen erlaubte. Allerdings tauchte auch nach einem Kilometer Jörg nicht wieder auf und ich fand mich mit dem Gedanken ab, den Lauf alleine zu Ende zu bringen. Also Musik auf die Ohren und weiter ging es.

Bei Kilometer 8 tauchte dann doch Jörg wieder neben mir auf. Meine Rettung, denn ich war auf den Kilometern, die ich alleine zurückgelegt hatte, viel zu schnell unterwegs gewesen. Mit ihm als Begleitung wurde das Tempo wieder gleichmäßiger und bewahrte mich vermutlich vor einem elendigen „Einbrechen“ auf den letzten Kilometern. Wir liefen nun den Kurfürstendamm hinunter. Rund um die Gedächtniskirche gaben die Massen am Straßenrand wieder alles und ehe wir uns versahen, hatten wir schon die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht. In dem Moment ging mir doch tatsächlich „Wie? Schon halb vorbei?!“ durch den Kopf.

Bei Kilometer 14 und 15 liefen wir am Potsdamer Platz entlang. Durch die Hochhäuser war der Wind hier etwas stärker und, wie konnte es auch anders sein, kam natürlich von vorne. Aber ein wenig kühler Wind tat bei dem prallen Sonnenschein und den wärmer werdenden Temperaturen ziemlich gut. Und die körperliche Konstitution war noch relativ gut, so dass mir der Gegenwind nichts ausmachte. So liefen wir unterhaltend und scherzend weiter in Richtung Ziel. Wobei die Unterhaltung immer einseitiger wurde, da ich mit fortschreitender Kilometeranzahl eindeutig Puste sparen musste, um die Pace zu halten.

Ab Kilometer 18 merkte ich langsam meine Beine, möglicherweise auch den Halbmarathon der Vorwoche, meine fehlende Ausdauer sowie die ungewohnte Pace. An dieser Stelle wäre ich vermutlich bedeutend langsamer geworden, wäre ich alleine unterwegs gewesen. Aber Jörg hatte die Uhr im Blick und zog mich weiter in Richtung Ziel. Am Streckenrand standen nun die bekannten Running Crews wie die Adidas Runners und die Kraftrunners, die einem auf den letzten Kilometern mit ihren Cheering Points noch einmal Feuer unter dem Hintern machen. Genau das richtige, was ich jetzt brauchte, denn die Kilometer über die Spreeinsel mit einigen Kurven zogen sich. Aber gut, ich musste einfach nur Jörg hinterherlaufen und bevor er nicht stehen blieb, waren wir vermutlich auch noch nicht im Ziel. Also ging es immer weiter, Schritt für Schritt in Richtung Ziel.

Endlich erblickte ich das Schild von Kilometer 20 am Streckenrand. Nun hieß es nur noch einen Kilometer beißen. Die letzten etwa hundert Meter ließ ich in diesem Moment unter den Tisch fallen. Und schon ein paar hundert Meter hinter der Kilometermarkierung bogen wir links auf „Unter den Linden“ ab und konnten in der Ferne das Brandenburger Tor erblicken. Da war es endlich: unser Ziel!

Die Massen jubelten, wir wurden schneller und liefen durch das wohl bekannteste Tor Deutschlands. In dem Moment machte ich die Erfahrung, die ich beim Berlin Marathon schon viele Male im Fernsehen miterleben durfte. Denn das Brandenburger Tor ist nicht das Ziel, sondern der Zielbogen steht ein paar hundert Meter weiter und diese zogen sich wie Kaugummi. Aber was waren ein paar hundert Meter gegen die Distanz, die wir bereits zurückgelegt hatten? Und auch wenn wir mittlerweile realisiert hatten, dass wir die 2:10 knapp überschritten hatten, so nahmen wir doch noch einmal die Beine in die Hand und liefen mit 2:10:51 über die Ziellinie! Auch wenn die Wunschzeit von unter 2:10 nicht geklappt hatte, so konnte ich dennoch meine Bestzeit im Vergleich zur Vorwoche um fast zwei Minuten steigern. Sechs Wochen nach meiner Oberschenkel-OP und ohne konkretes Training einfach der helle Wahnsinn! Außerdem muss man ja auch noch Ziele haben und die habe ich nach den letzten beiden Läufen definitiv!

MEIN FAZIT

Auch nach meiner bereits dritten Teilnahme am Berlin Halbmarathon muss ich wieder feststellen, dass Berlin es einfach drauf hat, große Laufevents zu veranstalten. Alles ist auf die beachtliche Anzahl Läufer, deren Sicherheit und einen reibungslosen Ablauf ausgerichtet. So bemüht die Veranstalter aber auch sind, eine solche Menge Läufer bringt eben auch mit sich, dass es an der ein oder anderen Stelle einfach etwas länger dauert. Der Start- und Zielbereich ist in diesem Fall ein nerviges Nadelöhr. Denn zum einen dauert es mittlerweile gut eine Stunde bis alle Starter über die Startlinie sind und zum anderen hat es auch eine gute Stunde gedauert, bis ich mich mitsamt der restlichen Massen von der Ziellinie mit kurzem Stopp an der Kleiderbeutelabgabe hinaus aus dem abgetrennten Läuferbereich gearbeitet hatte. Somit ist die Teilnahme am Berlin Halbmarathon mal eben ein Event, was gut 4-5 Stunden in Anspruch nimmt.

Die neue Strecke mit Start- und Zielbereich auf der Straße des 17. Junis hat mir richtig gut gefallen. Zum einen ist der Bereich vom Hauptbahnhof in wenigen Minuten fußläufig zu erreichen und zum anderen ist der Zieleinlauf direkt am Brandenburger Tor einfach eine einmalige Erfahrung.

Was das Preis-Leistungsverhältnis angeht, ist der Betrag von 43 Euro in der günstigsten bis hin zu 59 Euro in der teuersten Staffel (Preise für 2019) nicht allzu günstig. Allerdings steckt hinter dieser Großveranstaltung auch ein riesiger Organisationsaufwand, den man als Teilnehmer gar nicht abschätzen kann. Die Verpflegung im Zielbereich ist mit Wasser, Tee, Bananen und Erdinger Alkoholfrei standardmäßig, aber nicht überragend. Allerdings bin ich an dieser Stelle auch von der fulminanten Zielverpflegung in Köln verwöhnt. Dagegen konnte bislang einfach kein Lauf ankommen.

Ein Punkt, der bereits seit einigen Jahren auf Kritik stößt und den ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, ist die untersagte Weitergabe von Startplätzen. Wer sich also kurzfristig gegen einen Start entscheidet, bleibt auf seinem Startplatz und den entstandenen Kosten sitzen. Bei Krankheit hat man die Möglichkeit sich mit einem Attest einen Startplatz für das Folgejahr zu sichern, aber bekommt keinerlei Kosten zurückerstattet. Dieser Punkt in Verbindung mit einer frühestmöglichen Anmeldung, bedingt durch die hohe Nachfrage, verärgert immer größere Teile der Laufszene und meiner Meinung nach zurecht.

Alles in allem ist Berlin aber immer einen Lauf wert. Die Organisation ist gut, die Stimmung ist fabelhaft und für den Halbmarathon durfte ich jetzt schon dreimal feststellen, dass die Organisatoren anscheinend das gute Wetter für den Wettkampftag Anfang April gepachtet haben.

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